„1. Verbrauch, 2. Verbrauch,. 3. Verbrauch“…

… statt „Lage, Lage, Lage“. Das scheinen die drei wichtigsten Kriterien beim Hauskauf zu werden. Und nicht nur da – auch Hauseigentümer sorgen sich, ob sie es finanziell stemmen können, ihr älteres Haus in eine energieeffiziente Neuzeit zu katapultieren.

Und das alles in einer Gemengelage auf dem Immobilien- und Bausektor, die nicht nur Laien ratlos und überfordert zurücklässt, sondern auch manchem Experten die Sorgenfalten auf die Stirn treibt: Zinswende, Inflation, Rezession, Krieg in der Ukraine, Energiekrise und deutliche gestiegene Hypothekenzinsen bestimmen die Schlagzeilen der letzten Monate. Aktuell schiebt sich ein Aspekt immer weiter in den Vordergrund: Die (mangelnde) Energie-Effizienz von Immobilien.

Bis zum Jahr 2045 soll der Gebäudesektor nach dem Willen der Bundesregierung klimaneutral sein. Geplant und diskutiert wird ein Verbot neuer Öl- und Gasheizungen bereits ab 2024. Die EU möchte, dass bis zum Jahr 2022 alle Wohngebäude den Energiestandard „D“ erreichen. Für viele ältere Gebäude bedeutet das zwingend eine Komplettsanierung. Die könnte in dem einen oder anderen Fall mehr kosten, als das Haus bei einem Verkauf wert wäre. Klar ist: Wir müssen mehr fürs Klima tun, auch im Gebäudesektor. Die Frage ist: Wer zahlt? Und wie stemmen wir diese Kosten?

Wer sein älteres, wenig Energie-effizientes Haus verkaufen möchte, spürt schon heute Veränderungen. Je schlechter die Energieeffizienzklasse im Energieausweis ausgewiesen ist, desto eher drohen dem Verkäufer Wertabschläge. Unterschiedliche Studien und Vergleiche haben Abschläge zwischen 13 bis zu 50 Prozent ausgemacht. Nach meiner eigenen Erfahrung liegen die Preisabschläge bei gut 20 Prozent. Das Potpourri aus gestiegenen Finanzierungszinsen und der Ungewissheit über mögliche Sanierungskosten führt zu einer spürbaren Kaufzurückhaltung der Interessenten. Sie erfragen sehr detailliert den Zustand der Heizung, welcher Energieträger genutzt wird, ob und wieviel Dämmung vorhanden ist; sie prüfen die Energieeffizienz der Fenster und des Daches. Und das aus gutem Grund.

Der Fachverband Haus und Grund hat eine Beispielrechnung für die Sanierungskosten erstellt. Danach fallen für ein Einfamilienhaus mit 160 Quadratmetern Wohnfläche 93.950,– Euro Kosten an für Dämmung, neue Fenster und den Einbau einer Wärmepumpe.

Noch im vergangenen Jahr wichen Kaufwillige gern auf kleinere und ältere Häuser aus, wenn sie sich die teuren Neubauten nicht leisten konnten. Das durchschnittliche Alter der gekauften Immobilie betrug im Jahr 2021 noch 38 Jahre, im Jahr 2022 hatte es bereits 46 Jahre hinter sich. Auch bei der Wohnfläche wurden Abstriche gemacht, um sich den Traum vom Eigenheim erfüllen zu können. Doch mit den Anforderungen der Sanierungspflicht geht diese Strategie nicht mehr auf. Dann kann ich als Käufer gedanklich direkt 100.000 Euro zum Kaufpreis zufügen. Das sprengt für viele Kaufwillige den Finanzierungsrahmen. Zumal viele Eigentümer älterer Häuser nun doch noch zügig versuchen, das Objekt abzustoßen. Das vergrößert wiederum für Kaufwillige das Angebot sowie die Auswahl und ermöglicht Verhandlungsspielräume, die es zu Corona-Zeiten noch nicht gab. Immer öfter unterscheiden sich Angebotspreise am Ende spürbar von den beurkundeten Verkaufspreisen.

Der Markt hat sich um 180 Grad gedreht: Willkommen im Käufermarkt! Doch der ist stark geschrumpft. Denn nur noch die wohlhabensten zehn Prozent der Kaufwilligen verfügen derzeit über genug Einkommen und Eigenkapital um Ihr Wunschobjekt tatsächlich finanzieren zu können.

Was bedeutet das für potenzielle Verkäufer und Käufer? Sie müssen ein neues Gleichgewicht finden. Sie müssen sich mit den neuen Realitäten abfinden, Kompromisse eingehen. Eine Rückkehr zu den „alten Zeiten“ wird es nicht geben.

Hier könnte der Beitrag enden, doch zwei weitere Aspekte zum Thema Energieeffizienz im Gebäudesektor finde ich interessant.

Wenn Verkäufer und Käufer nicht mehr zueinander finden, setzt sich eine neue Spirale in Bewegung: Die verhinderten Haus-Käufer drängen auf den eh schon heiß umkämpften Miet-Markt. Sie verdrängen die ärmeren Mitbewerber. Der benötigte Wohnraum wird derzeit nicht gebaut, weil Baukosten explodiert sind, Handwerker fehlen und natürlich auch hier aufgrund der gestiegenen Hypothekenzinsen. Angebot und Nachfrage „regeln“ den Markt – die Mietpreise steigen. Würden nun die Kaufpreise oder Hypothekenzinsen sinken, Sanierungszuschüsse vom Staat winken oder Bundesländer auf die Grunderwerbssteuer verzichten (es gäbe etliche Stellschrauben), würde der Kauf eines Hauses wieder attraktiver. Der Druck auf den Mietmarkt könnte nachlassen.

Der zweite Aspekt betrifft den ländlichen Raum. Es wird immer davon geredet, es bestehe ein Wohnraummangel. Doch es gibt Wohnraum – nur am vermeintlich falschen Ort. Leerstand gibt es eher im ländlichen Raum, Wohnraummangel eher in den Ballungsgebieten. Der Wohnraummangel soll durch Neubau und Nachverdichtung des städtischen Raums bekämpft werden. Nun sagen Architekten, dass der Energiebedarf für einen Neubau höher ausfällt als für die Sanierung eines bestehenden Gebäudes. Wäre es somit nicht lebenswert und klimafreundlich, den Wohnraum im ländlichen Bereich zu aktivieren indem Politik den ÖPNV, Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung abseits der großen Städte stärkt? Für viele Menschen könnte das in Zeiten von Homeoffice und anderen ortsungebundenen Arbeitsformen eine Alternative sein.

Architekten befürworten den Grundsatz „Sanierung statt Abriss“. Für viele Experten passen die beiden Ziele der Regierung 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen und bis 2045 klimaneutral zu sein nicht zusammen. Deshalb haben die Experten in einem Brief an die Bundesbauministerin ein Abriss-Moratorium gefordert. Ihrer Meinung nach sollte der Schwerpunkt auf die Sanierung bestehender Gebäude gelegt werden. An dieser Stelle schließt sich der Kreis mit der Frage : Wer zahlt für die Klimaneutralität welchen Anteil…?