Wir stecken mitten im Lockdown. In den letzten Monaten gab es kein Gespräch – egal ob privat oder geschäftlich – in dem ich nicht nach dem Zustand des Immobilienmarktes gefragt wurde. Gerade Ältere fühlen sich oft unwohl bei dem Gedanken, mitten in der Corona-Krise ihr Haus zu verkaufen. Dabei suchen viele Familien gerade jetzt händeringend. Andere fragen, ob es eine vermeintliche Immobilienblase gibt, weil die Preise weiter steigen. In diesem Beitrag finden Sie meine Einschätzung zur derzeitigen Situation.
Lohnt es sich, in der Corona-Krise das eigene Haus zu verkaufen?
Unbedingt. Trotz, oder besser gesagt, gerade wegen der Corona-Krise. Denn im Wohn-Immobilienmarkt sind die Auswirkungen von Corona bisher moderat. Wir haben eher nach wie vor eine Angebotskrise. Wie schon im letzten Jahr gibt es viel zu wenige Angebote und auf der anderen Seite viele Menschen, insbesondere Familien, die ein Haus suchen.
Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheit?
Das betrifft ja nicht alle Branchen. Es gibt viele sichere Jobs – IT, Pflege, Lehrkräfte, Handwerk und natürlich Beamte, um nur ein paar zu nennen. Die verfügen nach wie vor über die entsprechende Liquidität. Und sie haben gemerkt, wie wichtig ein gutes Wohnumfeld und der eigene Garten gerade in Zeiten von Lockdown, Home-Schooling und Home-Office sind. Das heißt, bei einer großen Zielgruppe ist nach wie vor das Geld da, zumal die Zinsen für Immobilienkredite weiterhin sehr niedrig sind. Der Wunsch nach einem Haus oder Eigentumswohnung ist da – nur das Angebot fehlt. Also gute Zeiten für Verkäufer…
… die zu Höchst-Preisen verkaufen können?
Hohe Preise entstehen durch Druck. Damit sie fallen, müsste ein deutliches Überangebot an Immobilien auf den Markt kommen. Das sehe ich erst einmal nicht. Generell sind die Preise insbesondere für Einfamilienhäuser noch einmal deutlich gestiegen. Im Jahr 2019 nahmen die Deutschen für die Finanzierung ihrer Erstimmobilie durchschnittlich 320.825 Euro auf. Im Jahr davor waren es noch 288.895 Euro.(Laut Auswertung des Finanzdienstleisters Dr. Klein Privatkunden AG.) Und nach meiner persönlichen Wahrnehmung aus meinem eigenen Geschäft haben die Preise in diesem Jahr noch einmal zugelegt. Trotzdem warne ich Eigentümer immer davor, einen deutlich überzogenen Preis aufzurufen. Zustand und Lage des Hauses und seine Bewertung spielen nach wie vor eine entscheidende Rolle. Denn fast jeder Käufer muss seinen Hauskauf finanzieren. Und die Banken prüfen sehr genau, wieviel Geld sie für welches Kaufobjekt zur Verfügung stellen. Beim überhöhten Preis brauchen Sie also entweder einen Käufer mit viel Eigenkapital oder es kann ihnen passieren, dass sie zwar jede Menge Interessenten haben, aber keinen, der das nötige Geld aufbringen kann. Insofern bekommen Verkäufer heute einen super Preis, aber die Bäume wachsen nicht in den Himmel…
Was ist mein Rat an potenzielle Käufer?
Das hängt natürlich von der individuellen Situation ab. Bin ich von Kurzarbeit oder Jobverlust betroffen? Wie sieht es aus in der Zeit nach den staatlichen Stützungsmaßnahmen? Das muss jeder bedenken. Doch: Wohneigentümer fühlen sich in der Regel finanziell und emotional sicherer, als Mieter. Im eigenen Haus habe ich viel bessere Möglichkeiten, mit den täglichen Folgen von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen umzugehen. Und die eigenen vier Wände entsprechen in der Regel wesentlich besser den eigenen Bedürfnissen, als eine Mietwohnung. Eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft weist darauf hin, dass sich in Deutschland fast überall kaufen mehr lohnt, als mieten – in 393 von 401 Landkreisen ist das der Fall. Insofern schaffe ich mit dem Kauf eines Hauses ein Anlagevermögen, das mir oder meinem Kindern später einmal zu Gute kommen kann. Die gängige Expertenmeinung in der Fachpresse besagt, dass die Immobilienpreise – zumindest bei den Wohnimmobilien – in absehbarer Zeit nicht sinken werden. Eher im Gegenteil. Der Wert bleibt also. Dazu noch eine Zahl: Der aktuelle IVD-Wohnpreisspiegel zeigt, dass der Wertzuwachs bei Einfamilienhäusern bundesweit an Tempo zunimmt. Sogar in den Mittel- und Kleinstädten stiegen die Werte 2019 um 6,2 Prozent, 2020 bereits um 6,7 Prozent.
Gibt es eine Immobilienblase?
Das kann ich nur für den Wohnimmobilienmarkt einschätzen. In OWL sehe ich das nicht. Die Auswirkungen von Corona werden den Immobilienmarkt – wenn überhaupt – eher zeitverzögert treffen. Beispielsweise wenn Käufer ihre Finanzierung zu knapp kalkuliert haben und durch zeitweise Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit ihr Haus nicht mehr halten können. Dann könnte es mehr Verkäufe geben. Aber der Nachfragedruck ist so hoch, dass die Preise eher moderat nachgeben könnten. Aber eine Glaskugel habe ich leider auch nicht… Da uns die Krise viel Geld kostet, vermute ich allerdings, dass Immobilien früher oder später stärker besteuert werden. Trotzdem bleiben Wohnimmobilien in Krisenzeiten eine sichere Anlage, die weniger Schwankungen unterworfen ist, als andere Anlageformen. Insofern gibt es auf Seiten der Käufer auch immer mehr Privatleute, die Wohnimmobilien als Anlage kaufen und sie dann weiter vermieten.
Ich hoffe, diese Infos haben einige Ihrer Fragen beantwortet. Ich habe in den letzten Monaten einige Objekte verkauft und für Eigentümer und Käufer für höchstmögliche Sicherheit gesorgt. Besichtigungen führe ich mit maximal zwei Personen durch. Maske und Desinfektion sind selbstverständlich. Die Eigentümer haben keine zusätzlichen Kontakte. Darüber sind fast alle sehr froh gewesen. Der Verkauf selber läuft wie vor Corona. Allerdings dauert es etwas länger, Unterlagen bei Bauämtern oder dem Amtsgericht zu beschaffen. Auch bei den Banken der Käufer ist manchmal mehr Zeit für die Klärung der Finanzierung nötig gewesen. Doch die Notare stehen bereit, Kaufverträge können abgeschlossen werden.
Was mir persönlich sehr fehlt, ist tatsächlich eine angemessene herzliche Form der Begrüßung und Verabschiedung – der Händedruck und das freundliche Lächeln. Manchmal war es richtig schön, im Garten eines Hauses einmal auf Abstand die Maske abzunehmen und zu sehen, wie der Mensch gegenüber aussieht und lächelt.