Von Akten und einem verlorenen Brief

Wollen Sie Ihr Haus verkaufen? Dann werfen Sie bitte vorher noch einen ausführlichen Blick in Ihre Aktenordner. Fehlen hier Unterlagen, kann sich der Verkauf nämlich unnötig verzögern. Auf einen speziellen Fall möchte ich heute hinweisen: Nicht nur einmal ist es bei der Betreuung meiner Kunden vorgekommen, dass ein sogenannter „Grundschuldbrief“ nicht mehr auffindbar war. Der Grundschuldbrief ist eine Urkunde und gleichzeitig auch ein Wertpapier und damit für den, der ihn in Händen hält, bares Geld wert. Doch der Reihe nach.

Sie haben Ihr Haus 1970 gebaut und von einer Bank finanzieren lassen. Der Grundschuldbrief bestätigt, dass ihr Grundstück mit einer Summe X belastet ist. Dies wird auch im Grundbuch (hinten in Abteilung III) eingetragen. Der Grundschuldbrief wird vom Grundbuchamt ausgestellt und verbleibt bei der Bank, bis Sie den Kredit abbezahlt haben. Dann jedoch bekommen Sie den Brief von der Bank ausgehändigt und heften ihn in der Regel in Ihren Hausakten ab. Im Grundbuch ist die Schuld immer noch vermerkt. Um sie auch dort löschen zu lassen, brauchen Sie den Grundschuldbrief und eine sogenannte „Löschungsbewilligung“ der Bank.

Früher wurde oft argumentiert, es sei besser, die Grundschuld stehen zu lassen. Wenn man einen neuen Kredit benötige, beispielsweise für eine Sanierung, könne man einfacher wieder an Geld kommen. (Natürlich bei der gleichen Bank.) Doch heute bekommt man als Immobilienbesitzer stets zinsgünstige Kredite – auch ohne Eintrag ins Grundbuch. Also überlegen Sie, ob es sinnvoll ist, den Eintrag löschen zu lassen.

Warum? Der Grundschuldbrief ist vergleichbar mit dem KfZ-Brief. Wer diesen besitzt, dem gehört das Auto. Wer den Grundschuldbrief besitzt, dem steht die volle darauf vermerkte Summe zu, unabhängig davon, ob die Schuld bei der Bank schon getilgt wurde. Wer den Brief also zum Beispiel aus Ihrer Mülltonne fischt, könnte das Geld in voller Höhe noch einmal abrufen.

Oft passiert jedoch Folgendes: Die Eigentümer versterben, die Erben wissen nicht, wo welche Akten sind. Später kommt irgendwann der Entrümpler. Das Haus ist leer. Die Akten sind weg. Jetzt soll das Haus verkauft werden. Und nun fällt auf: Es müsste eigentlich einen Grundschuldbrief geben. Doch der ist weg. Keiner weiß: Wurde er vernichtet oder weitergegeben? Schlecht, – denn der Käufer hat ein Recht darauf, ein „sauberes“ Grundbuch ohne Schuldeneintrag zu bekommen. Was nun?

Zunächst einmal: Sie können das Haus trotzdem verkaufen. Aber: Es dauert etwa sechs Monate länger, bis Sie Ihr Geld bekommen. Denn nun müssen Sie ein sogenanntes Aufgebotsverfahren in die Wege leiten. Bevor Sie das tun: Bitte suchen Sie noch einmal gründlich! Bleibt der Grundschuldbrief verschwunden, informieren Sie den Notar vor der Kaufvertragsunterzeichnung, denn der nimmt diesem Umstand mit einem Passus auf. Nun folgen weitere Schritte:

  • Lassen Sie sich vom Notar über das Vorgehen informieren und beraten!
  • Der Notar richtet ein Treuhandkonto ein. Der Kaufpreis geht später anteilig auf dieses Konto – nämlich die doppelte Summe des im Grundbuch eingetragenen Betrags. Warum doppelt? Als Puffer, da ja auch Zinsen zu berechnen sind.
  • Setzen Sie sich mit der Bank in Verbindung und recherchieren Sie, ob der Brief eventuell noch dort ist.
  • Ist das nicht der Fall, geben Sie der Bank eine eidesstattliche Erklärung ab, dass der Grundschuldbrief nicht weitergegeben wurde. Nun erstellt die Bank eine neue Löschungsbewilligung.
  • Damit können Sie beim Amtsgericht den sogenannten Aufgebotsantrag stellen. Das Ziel ist, den Grundschuldbrief für ungültig erklären zu lassen.
  • Das Amtsgericht veröffentlicht eine entsprechende Bekanntmachung. Ein möglicher Besitzer des Grundschuldbriefs hat nun sechs Monate Zeit, sich zu melden.
  • Erst wenn die sechs Monate um sind und sich niemand gemeldet hat, wird der neue Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Der Käufer des Hauses wird hier erst einmal Sorgenfalten auf der Stirn haben. Doch solange die Summe der einbehaltenen Grundschuld den Kaufpreis nicht übersteigt, hat er finanziell nichts zu befürchten.

Die Abwicklung des Kaufs erfolgt „ganz normal“. Hat der Käufer beim Notar den Kaufvertrag unterschrieben, wird er Besitzer der Immobilie, sobald er den Kaufpreis überwiesen hat. Hier gibt es dann zwei Überweisungen: Ein Teil des Kaufpreises geht auf das Treuhandkonto und der Restbetrag direkt an den Verkäufer. Dann kann die Immobilie ganz normal übergeben werden. Der Käufer kann sanieren, renovieren, einziehen. Nur die endgültige Umschreibung im Grundbuch dauert nicht sechs Wochen, sondern sechs Monate.

Übrigens: Vor 30 oder 40 Jahren war die sogenannte „Briefgrundschuld“ üblich. Heute ist die sogenannte „Buchgrundschuld“ im privaten Bereich gängige Praxis. (Sie ist ausdrücklich mit dem Zusatz „brieflos“ eingetragen.) Sie verzichtet auf den Brief und kann im Grundbuch mit Vorlage der Löschungsbewilligung der Bank wieder gelöscht werden.

Liebe Leserinnen und Leser, heften Sie Ihre Akten immer schön ab und beschriften Sie die Ordner. Im „Ernstfall“ ist das viel wert… Ich bin als Maklerin für Sie da, auch wenn es mal schwierig wird.